der perfekte Tag
9. Mai 2023
Mein perfekter Tag begann ungefähr um 6h. Die Welt ennet meinem Fenster war so ruhig, dass ich Leos regelmässigen Atem unten aus dem Wohnzimmer wahrnehmen konnte. Langsam liess ich zu, dass ich wacher und wacher wurde, mich gemächlich aufsetzte, meine Kleider unter den Arm nahm und die steile Treppe nach unten stieg. Leo hatte ein Auge offen, als wollte er sagen: ich schlafe zwar noch, aber ich hab dich gesehen!
Leo erhob sich schwanzwedelnd und liess sich von mir an die Leine nehmen, um unseren Morningwalk durch die stille Anlage zu unternehmen. Blutrot leuchtete der Himmel, es war mystisch. Wieder zurück in unserem Häuschen, richtete ich Leos Frühstück her, machte mir meinen Tee, denn ohne Schwarztee – einen herrlichen Assam oder einen Earl grey, kann ich den Tag nicht beginnen. Während dieser abkühlte, duschte ich und hüllte mich in frische Wäsche, fühlte mich rundum wohl und propper und vernahm, wie Hampi sich in seinem Zimmer rührte, wie die Decke zu knarren begann, als er durch sein Zimmer ging, um sich in die Kleider zu stürzen. Verwuschelt und mit einem Lächeln kam nun auch er die steile Holztreppe hinab. Leo hätte keine Chance, diese Treppe zu benutzen. Sie ist ungefähr so steil, wie die alten Estrichtreppen, die man runterziehen kann… Aber genug der langen Erklärung! Hier ist sie:
Nun, wo Hampi auf ist, kann ich mich auf den Weg machen, am Meer entlang, die nackten Füsse im Sand, um meine Meditation zu machen…
…und auf dieser Runde auch zwei Gipfeli für Hampi zu kaufen. Heute lockten zudem die kleinen Tartelettes aux pommes/amandines/abricots und ich kaufte uns davon zum Dessert. Hampi hatte unterdessen einen feinen Bialettikaffee bereitgemacht und während dieser kochte, richtete ich mir mein Müsli mit Jogurt, Banane und Vollkornflocken, was ich lieber mag als Croissants. Mmmmmhhhh, so sassen wir um 7.30h vor dem Häuschen, beobachtete, wie nun langsam die Leute aus ihren Häuschen strömten, mit ihren Hunden Gassi gingen, uns fröhlich „bonjour“ zuriefen und umgekehrt und liessen die Zeit einfach Zeit sein. Während wir beim 2. Kaffee sassen, schmiedeten wir Pläne und heute wollte mich Hampi am Canal du midi per Velo begleiten. Eigentlich wollten wir nach Bézier fahren, aber das mache ich nur mit dem e-bike, um sicher wieder zurückradeln zu können… Leider hatte der Velohändler zu, also fuhren wir mit den „normalen“ Bikes unserer Freunde, die wir uns nehmen durften, am Kanal entlang, tranken in Villeneuve-lès-Béziers ein Schweppes und genossen die Fahrt durch Portiragnes zurück. Es ist einfach malerisch, sei es am Kanal, sei es in den Dörfchen oder entlang der Pferdeweiden – Schwertlilienfelder – Mohnwiesen. Etwas verschwitzt kehrten wir in unser Zuhause zurück und stürzten uns in die Badehose und ins Schwimmbad, welches mit 28 Grad genau die richtige Einstiegstemperatur hat. Wir schwammen ein paar Längen und waren erfrischt und happy, als wir um 12h wieder bei Leo waren.
Ich kochte uns ein Gemüserisotto, dazu gab es einen leichten kühlen Rosé aus der Region und zum Dessert die Tartelettes unseres Bäckers „chez Faustine“ zum Bialetti-Kaffee und danach eine Siesta, für mich mit einer Meditation verbunden, für Hampi mit lautem Schnarchen, für Leo zusammengeringelt auf dem leintuchgeschützten Sofa…
Jetzt ist es schon bald Zeit, Leo sein Znacht zu richten, noch eine Runde am Meer zu drehen, für Hampi und mich gibt es so um 18h ein Glas Wein, einen Apéro und dann geniessen wir den Abend mit unseren guten Büchern, über denen wir stundenlang die Zeit vergessen können…
Ist das ein perfekter Tag? Für mich auf jeden Fall. Aktuell prasseln leise Regentropfen auf das Sitzplatzplexiglasdach und hüllen die Welt in eine gemütliche Atmosphäre und der Blütenstaub wird etwas gebunden. Alles ist gelb in Portiragnes. Morgen soll die Sonne wieder strahlen und es wird ein neuer perfekter Tag werden…
Wieviel WIR selber zum perfekten Tag beitragen können, glauben wir kaum. Wir schmieden unser Glück! Es braucht ein paar Komponenten, die sehr individuell sind, damit wir das Gefühl haben, das Glück sei uns hold. Für mich ist es definitiv das Velofahren, die Bewegung, die Natur, das Draussensein. Dass ich das gerade leben und auskosten kann, macht mich sehr glücklich. Vor einem Jahr machten wir Ferien in einem Wellnesshotel in Deutschland… und wer mein Buch kennt weiss, ich war damals so zerrissen innerlich und auch körperlich. Vor einem Jahr wusste ich noch nichts von einem künstlichen Darmausgang und von Situationen die näher am Tod als am Leben waren… Und ich bin hier, am Meer, in Südfrankreich – JETZT. Mehr Glück geht ja gar nicht!