Rappel, Wut, Missmut, Läckmeramarsch, …

24. Juli 2022

Ich habe den Rappel heute, mir liefen die Tränen schon literweise. Wir lachten über die verschiedenen Ausdrücke, denn den Rappel haben kennen die hier nicht. Knatschig, mürrisch, den Läckmeramarsch… Ja, all das hatte ich heute morgen schon.

Ihr hättet mich sehen sollen nach der Not-OP am Dinestag. Ich war mit der Magensonde an einen Sack gefesselt, über den Stomasack an meine Wunde, über den Blasenkatheter an einen Sack, über die Schmerzpumpe an eine Maschine, über Sauerstoffgerät an die Maschine und über einen Beutel im rechten Bauch an eine gescheite Ableitung… Ich hatte keine Chance, mich alleine auch nur zu bewegen. Mir kam das Buch in den Sinn: Schmetterling und Taucherglocke. Dort ist ein gelähmter Mann in seinem unbeweglichen Körper so beweglich im Geist wie ein Schmetterling… Ich wollte mich auch wie ein Schmetterling fühlen und gab mir Mühe, aber ich hoffte immer einfach darauf, möglichst bald etwas von allem loszuwerden. Am Samstag war es der erste Tag, der mir eine freie Dusche bescherte, allerdings mit der Infusion im Bad… Ich hätte deswegen heute allen Grund dazu, dankbar zu sein, seit mehreren Tagen sitzen und schreiben zu können. Ich bin wirklich eine glückliche Frau, geplagt von Sehnsucht nach meinem Zuhause, meine beiden Männer, Sehnsucht nach Luft und atmen und WALD.

Nicht etwa, weil ich denen, die mir Bilder von Bergwanderungen senden, von Ferien am See, vom Velofahren und dem Yogacamp irgendwas missgönnen würde, nie und nimmer, aber wer mich kennt, der weiss: ich gehöre in die Natur und gerade ist es so verdammt hart, hier gefesselt zu sein und stolz darüber zu sein, den eigenen Stomabeutel leeren zu können und zu hoffen, dass die Chemotherapie, die natürlich jetzt wieder pausieren muss, hoffentlich dann doch noch anschlägt…

Deshalb hab ich den Rappel. Die Frage „warum ich“ kam bisher eigentlich nie auf, weil ich weiss, es ist mein Leben, das bin ich, aber mein Gott, wohin soll und kann es führen? Ja, ich fragte mich schmunzelnd, ob ich eventuell dem Gottesdienst heute um 10.30h in der ökumenischen Kirche hätte zustimmen sollen? Heute könnte ich meine Psychotante gebrauchen, aber heute ist sie natürlich nicht da. Zum Glück sind da die zwei Zimmerkolleginnen, die mich auffangen können und es auch tun. Ich sehne mich so sehr nach Zuhause und dem Wald, meinem Velo. Es erscheint alles in so weiter Ferne, dass es mir das Herz zerreisst…

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